Kommt für viele klein- und mittelständische Unternehmen im Baugewerbe diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu spät? Mit Beschluss vom 21.09.2016 (Az.: 10 ABR 33/15) stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass die Allgemeinverbindlich-Erklärung von Tarifverträgen über das Sozialkassenverfahren des Baugewerbes (AVE VTV 2008 und 2010) unwirksam ist!
Dabei hat sich in den letzten Jahren die Sozialkasse im Baugewerbe häufig auf die Allgemeinverbindlichkeit des betroffenen Tarifvertrags bezogen und zahlreiche Unternehmen des Baugewerbes oft rückwirkend auch für den nicht verjährten Zeitraum mit erheblichen Nachforderungen belastet. Ebenfalls nicht selten führten diese Forderungen zu bedenklichen wirtschaftlichen „Schräglagen“ der in Anspruch genommenen Unternehmen, bis hin zur Insolvenzanmeldung.
Nunmehr stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass die Allgemeinverbindlich-Erklärungen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 15.05.2008 und 25.06.2010 mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 5 TVG a.F. unwirksam sind. Denn weder hat sich die zuständige Ministerin für Arbeit und Soziales mit der Allgemeinverbindlich-Erklärung (AVE) befasst, noch wurde die nach dem damaligen Rechtsstand erforderliche 50%-Quote erreicht:
Bei der AVE von Tarifverträgen handelt es sich um Normsetzungen, die nach dem in Artikel 20 GG verankerten Demokratieprinzip die Befassung des zuständigen Ministers für Arbeit und Soziales erfordert. Eine solche Befassung ist jedoch weder durch den damaligen Minister Olaf Scholz in Bezug auf die AVE VTV 2008 noch hinsichtlich der AVE VTV 2010 durch die seinerzeitige Ministerin Dr. Ursula von der Leyen erfolgt. Darüber hinaus gibt es keine tragfähige Grundlage für die Annahme des BMAS, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der AVE mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren.
Die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE wirkt gemäß § 98 Abs. 4 ArbGG für und gegen jedermann. Sie hat zur Folge, dass im maßgeblichen Zeitraum nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes bestand. Andere Arbeitgeber der Baubranche sind nicht verpflichtet, für diesen Zeitraum Beiträge zu leisten.