Gesellschaftsrecht meets Bürgschaftsrecht 01 Dezember 2016 | Jörg Stelzer

Wer mehr riskiert, kann auch mehr verlieren – Innenausgleich zwischen unterschiedlich risikobereiten GmbH-Gesellschafter-Bürgen im Verhältnis ihrer jeweiligen Bürgschaftshöchstbeträge – BGH klärt lange umstrittene Rechtsfrage (vgl. BGH XI ZR 81/15, Urteil vom 27.09.2016)

Ein wesentliches Merkmal der GmbH ist es, dass ihren Gläubigern ausschließlich das von den Gesellschaftern aufgebrachte Stammkapital haftet. Ein Durchgriff durch die juristische Person, also eine persönliche Haftung der Gesellschafter, kommt nur ganz ausnahmsweise in Betracht. Dieses Wesensmerkmal zeichnet die GmbH bereits seit ihrer Einführung im Jahr 1892 durch das „Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ aus. Seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)“ im November 2008 steht Gesellschaftsgründern neben der „klassischen GmbH“, die zum Schutze ihrer Gläubiger ein Mindeststammkapital von immerhin EUR 25.000,- erfordert, nunmehr auch eine Sonderform der GmbH, nämlich die sog. „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder auch „Mini-GmbH“ zur Auswahl, die (theoretisch) bereits mit einem Stammkapital von lediglich EUR 1,00 gegründet werden kann.

Gerade wegen ihrer wesenstypischen Haftungsbeschränkung haben die Gläubiger einer GmbH – und erst recht einer „Mini-GmbH“ – (z.B. Banken oder Lieferanten) häufig ein großes Interesse daran, eine – von Gesetzes wegen gerade nicht vorgesehene – Mithaftung der GmbH-Gesellschafter für ihre Forderungen gegen die GmbH durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen herbeizuführen. Am häufigsten erfolgt dies in der Praxis wohl im Wege von Bürgschaftsverträgen (§ 765 BGB).

Übernehmen dabei mehrere Gesellschafter einer GmbH Bürgschaften für dieselben Verbindlichkeiten der GmbH und nimmt der Gläubiger der GmbH dann später tatsächlich einen dieser Bürgen aus der Bürgschaft in Anspruch, stehen dem In-Anspruch-Genommenen gegenüber den übrigen Gesellschafter-Bürgen sog. Innenausgleichsansprüche zu (§§ 769, 426 BGB). Es stellt sich dann die Frage, wie die jeweiligen (Mit-)Haftungsquoten der einzelnen Gesellschafter-Bürgen im Rahmen des Innenausgleichs zu ermitteln sind.

In der gefestigten BGH-Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass GmbH-Gesellschafter, die für Verbindlichkeiten der GmbH (in gleichem Umfang) gebürgt haben, im Innenverhältnis im Zweifel (also bei Fehlen einer anderweitigen Abrede) anteilig, und zwar nicht etwa „pro-Kopf“ bzw. zu gleichen Teilen, sondern vielmehr im Verhältnis ihrer jeweiligen Anteile am Gesellschaftsvermögen haften. Der Mehrheitsgesellschafter übernahm also (im Innenverhältnis) faktisch eine höhere Mithaftung als der Minderheitsgesellschafter.

Umstritten war jedoch lange Zeit, wie die Ausgleichsquoten zu ermitteln sind, wenn die GmbH-Gesellschafter Bürgschaften nicht im gleichen Umfang, sondern mit ganz unterschiedlichen, individuellen Höchstbeträgen übernommen haben.

Diese Frage hat der BGH nunmehr verbindlich geklärt. In einem Urteil aus September 2016 entschied der BGH, dass sich die Höhe der Innenausgleichsquoten in einem solchen Fall (also bei Höchstbetragsbürgschaften von unterschiedlicher Höhe) nicht etwa (wie aber sonst) nach den Anteilsverhältnissen der Gesellschafter-Bürgen, sondern nach dem Verhältnis der jeweiligen Bürgschaftshöchstbeträge richtet.

Zur Begründung führte der BGH aus, dass die Gesellschafter durch Eingehung unterschiedlich hoher Höchstbetragsbürgschaften auch (bewusst) unterschiedlich hohe Risiken eingegangen seien. Die dadurch (nach außen) zum Ausdruck gebrachte, unterschiedliche Risikobereitschaft der einzelnen Gesellschafter-Bürgen sei deshalb im Zweifel (also bei Fehlen einer anderweitigen Abrede) auch als Maßstab für ihre internen Haftungsquoten heranzuziehen (vgl. BGH XI ZR 81/15, Urteil vom 27.09.2016). Im Innenverhältnis haftet danach also der Risikofreudigere höher als der Risikoscheue, und zwar ohne Rücksicht auf ihre jeweiligen Gesellschaftsanteile an der GmbH.

Jörg Stelzer

Jörg Stelzer ist Jahrgang 1974 und praktiziert seit 2003 als Rechtsanwalt. Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht ist Jörg Stelzer neben allgemeinen Fragen des Wirtschaftsrechts überwiegend im Gesellschaftsrecht tätig. Schwerpunkte dabei sind vor allem die beratende, außergerichtliche und auch die prozessuale Begleitung von Gesellschafterauseinandersetzungen (Corporate Litigation) sowie Fragen der Gesellschafter-, Organ- und Managerhaftung (D&O).

© 2024 PETERS Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB | IMPRESSUM | DATENSCHUTZ | ERSTELLT VON RP DIGITAL SOLUTIONS

Nach oben scrollen