Coronavirus und Arbeitsrecht: Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer jetzt wissen müssen! 05 März 2020 | Ralph Geiger

Die Ausbreitung des Coronavirus bringt nicht nur für das tägliche Verhalten Unsicherheiten mit sich: Ist Händeschütteln noch ein angemessenes Begrüßungsritual? Fahre ich Bus und Bahn? Besuche ich noch Massenveranstaltungen und fliege ich noch nach Asien in den Urlaub – oder nehme ich davon Abstand? Schnell kommt auch die rechtliche Unsicherheit besonders im Arbeitsrecht hinzu: Welche Pflichten haben Arbeitgeber jetzt? Welche Rechte die Arbeitnehmer?

Zu den wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen möchten wir daher erste Hinweise geben:

 

Aufklärungspflichten und Direktionsrecht des Arbeitgebers

Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter darüber informieren, wie hoch das Risiko einer Infektion ist und wie sie sich vor dem Coronavirus schützen. Einen Hinweis darauf, wie dies gestaltet werden kann, findet sich auf der Informationsseite des Robert-Koch-Instituts, https://www.rki.de/DE/Home/homepage_node.html,  oder des Institutes für Virologie an der Charité in Berlin bei Prof. Drosten: https://virologie-ccm.charite.de/.

Als Rechtsgrundlage greifen die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzes, § 4 Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG, zudem die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Denn nach § 618 BGB muss der Arbeitgeber Sorge dafür tragen, dass seine Angestellte ihre Arbeit gefahrlos erledigen können.

Der Arbeitgeber muss also zumutbare Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass sich seine Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anstecken. Dazu kann das Zurverfügungstellen von Mundschutzmasken und Desinfektionsmitteln, jedenfalls aber von Reinigungsmitteln zählen, insbesondere in den sanitären Anlagen und an den Zugängen des Betriebes. In Einzelfällen vielleicht auch die (vorsorgliche) Beurlaubung einzelner Mitarbeiter, bei denen der Verdacht auf eine Infektion besteht. Ein einfaches Mittel kann auch die Anweisung sein, von Begrüßungen durch Handschlag abzusehen. Sicher gehen die Schutzpflichten also über die bloße Information hinaus. Wie weit, ist jedoch jedenfalls rechtlich gesehen zurzeit noch unklar. Machen Sie das, was Sie auch für sich selbst für angemessen erachten, lautet unser Ratschlag.

Bedenken Sie dabei: Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber ein Direktionsrecht zu, das sog. Weisungsrecht. Gestützt hierauf könnte der Arbeitergeber also den Mitarbeitern vorgeben, einen Mundschutz zu tragen, sich regelmäßig die Hände zu waschen etc.

Derartige Weisungen haben die Mitarbeiter auch zu befolgen. [Achtung: wenn es einen Betriebsrat gibt, ist bei solchen Maßnahmen allerdings das Mitbestimmungsrecht zu berücksichtigen, § 87 I BetrVG]. Zudem darf die Ausübung des Direktionsrechts nicht unverhältnismäßig in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht oder in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers eingreifen. Künftig zu diskutieren könnte also die Frage sein, ob der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zu einer Schutzimpfung verpflichten kann. Nun – diese Frage stellt sich erst, wenn es einen Impfstoff gibt.

Allerdings gilt im Arbeitsrecht bislang jedenfalls der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer einer Anordnung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, nicht nachkommen muss. Krankheit gilt bislang als private Angelegenheit. Ob das so bleibt, können wir nicht abschätzen. Privat ist eine Krankheit ja nur im privaten Umfeld und eben nicht am Arbeitsplatz. Auch Piloten müssen sich ja bestimmten Gesundheitstests unterziehen.

 

Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer 

Die Verpflichtung, sich krank zu melden, um in den Genuss der Lohnfortzahlung zu kommen, dürfte jedem Arbeitnehmer bekannt sein. Über die Art und Weise der Erkrankung dem Arbeitgeber Auskunft zu geben, wird sich in der Regel kein Arbeitnehmer verpflichtet fühlen und nach allgemeiner Meinung besteht hierzu auch keine Rechtspflicht.

Der Arbeitnehmer ist als Vertragspartner des Arbeitgebers jedoch auch zu Schutz und Rücksichtnahme verpflichtet. Falls die Erkrankung ernsthafte Auswirkungen auf Dritte im Arbeitsverhältnis haben kann, muss der Arbeitnehmer hierauf hinweisen. Nur dann können notwendigen Schutzmaßnahmen oder erforderliche Untersuchungen eingeleitet werden.

Es wird also die Diskussion darüber aufkommen, ob bei so ansteckenden Erkrankungen wie bei dem Coronavirus, etwa hergeleitet aus der allgemeinen arbeitsrechtlichen Treuepflicht, doch die Verpflichtung des Arbeitnehmers resultieren kann, die Art der Erkrankung mitteilen zu müssen. Die Antwort hängt vom Grad der Übertragbarkeit und der Gefährlichkeit ab: also je einfacher die Übertragung und je höher das individuelle Risiko bleibender Schäden oder sogar eine Lebensgefahr, umso eher besteht die Verpflichtung zur Offenlegung.

Es gilt also: Es ist zu empfehlen, dass Mitarbeiter den Arbeitgeber über eine bekannte Infektion mit dem Coronavirus informieren. Dies ist bei positiver Kenntnis der eigenen Ansteckung und auch bei Verdacht der Erkrankung nach heutigem Kenntnisstand sicherlich als Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitsgeber einzustufen.

In diesem Kontext stellt sich auch die Frage, ob Arbeitnehmer sich gegenüber ihrem Arbeitgeber erklären müssen, wenn sie auf privaten Reisen in besonders vom Coronavirus betroffenen Gebieten unterwegs waren. Die Frage der Abgrenzung, welche Regionen als besonders gefährlich anzusehen sind – derzeit: China, Italien, der Niederrhein – könnte etwa daran gemessen werden, ob für die betroffene Region eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts gilt (siehe www.auswaertiges-amt.de). Dies könnte der arbeitsrechtliche Maßstab für die Annahme sein, dass die Sorgfaltspflicht verletzt ist. Wie schwierig die Abgrenzung sein kann offenbart sich, wenn man die Teilnahme an einer Kreuzfahrt prüft, bei welcher sich das Coronavirus erst nach Reiseantritt zeigen kann.

 

Unser Fazit:

Reisen – zumal im Urlaub oder in der freien Zeit – sind Privatsache. Hier gibt es keine Auskunftspflichten des Arbeitnehmers. Eine Grenze wird jedoch auch hier erreicht sein, wenn die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers betroffen ist, andere Arbeitnehmer vor überhöhten Infektionsgefahren am Arbeitsplatz zu schützen.

Zum Schwur kommt die Frage, wenn der Arbeitnehmer die Auskunft verweigert und der Arbeitgeber ihn daraufhin nicht an den Arbeitsplatz zurückkehren lässt und die Lohnzahlung verweigert. Hier könnten die Grundsätze einer Druckkündigung heranzuziehen sein, also das sehr ernstliche und nachvollziehbare Verlangen Dritter, also anderer Arbeitnehmer unter Androhung von erheblichen Nachteilen für den Arbeitgeber (Arbeitsniederlegung). Dies wäre als ein nachvollziehbarer Grund für das Auskunftsbegehren als milderes Mittel im Verhältnis z.B. zu einer Kündigung einzustufen und im Einzelfall wohl gerechtfertigt.

 

Was gilt bei dem Verdacht einer Corona Erkrankung?

Dies führt uns zu der Frage, wie mit dem Verdacht einer Coronavirus Erkrankung umzugehen ist. Die bloße Angst vor einer Infektion rechtfertigt es grundsätzlich nicht, dem Arbeitsplatz fern zu bleiben. Seltene Ausnahmen, wie etwa relevante Vorerkrankungen bei gleichzeitiger Unterlassung offensichtlich notwendiger Schutzmaßnahmen, sind denkbar. Ansonsten entfällt beim unentschuldigten Fernbleiben vom Arbeitsplatz der Lohnanspruch oder drohen sogar weitergehende arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Einvernehmliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, etwa Abbau von Urlaub und Überstunden oder Heimarbeit, sind natürlich denkbar.

Ist der Sachverhalt indes so, dass sich ein Mitarbeiter unstreitig an dem Coronavirus infiziert hat, weigert sich dieser den Arbeitsplatz zu verlassen, und ergreift der Arbeitgeber keine geeigneten Schutzmaßnahmen, können die übrigen Arbeitnehmer wohl unter Hinweis auf diese konkrete Ansteckungsgefahr berechtigt sein, zu Hause zu bleiben. Dazu sollten sie – sofern möglich und sinnvoll – anbieten, von dort im Homeoffice zu arbeiten.

 

Lohnfortzahlung und Coronavirus?

Achtung: Der Arbeitgeber darf den Mitarbeiter in der Regel von der Arbeit freistellen und ihn nach Hause schicken, etwa weil er meint, dies aus Vorsichtsgründen tun zu müssen. In diesem Fall besteht der Lohnanspruch indes in voller Höhe. Weigert sich ein Mitarbeiter, im Home-Office zu arbeiten, muss der Arbeitgeber ihn von seiner Arbeitspflicht entbinden und bezahlt freistellen.

Normalerweise bekommen kranke und arbeitsunfähige Mitarbeiter eine Entgeltfortzahlung. Besteht jedoch nur der Verdacht einer Infektion und ordnen die Behörden ein Beschäftigungsverbot oder eine Quarantäne an, haben sie keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung, falls keine eigene Arbeitsunfähigkeit festzustellen ist.

 

Entschädigungszahlung durch den Staat/ ein Gesetz für extreme Situationen 

Jedoch kann das sog. Infektionsschutzgesetz greifen. Dieses Gesetz ist kaum bekannt, gilt es doch auch nur in extremen Ausnahmesituationen – wie etwa jetzt, bei einer drohenden Pandemie.

Die Arbeitnehmer erhalten vom Staat eine Entschädigungszahlung. Die muss der Arbeitgeber zwar auszahlen, bekommt sie aber vom zuständigen Gesundheitsamt erstattet. Das ist im Infektionsschutzgesetz, § 56 Abs. 1 IfSG festgelegt.

Diese Entschädigungszahlung wird für die ersten sechs Wochen in Höhe des Verdienstausfalls gewährt (§ 56 Abs. 2 IfSG) und ab der siebten Woche in Höhe des Krankengeldes. Zur Erinnerung: Das Krankengeld beträgt 70 Prozent des Bruttoverdienstes, aber nicht mehr als 90 Prozent des Nettogehalts.

Übrigens:

Auch Selbstständige bekommen eine Entschädigungszahlung. Sie beträgt ein Zwölftel des Arbeitseinkommens des letzten Jahres vor der Quarantäne. Nach § 56 Absatz 4 IfSG erhalten Selbständige, die einen Betrieb oder eine Praxis haben, zudem „von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang“.

 

Staatliche Unterstützung für Unternehmen (z.B. Kurzarbeit) 

Die Bundesagentur für Arbeit stellte kürzlich auch klar, dass ein „Arbeitsausfall wegen Corona oder wegen damit verbundener Sicherheitsmaßnahmen im Regelfall auf einem unabwendbaren Ereignis oder auf wirtschaftlichen Gründen beruht“ – oder anders gesagt: auch die Anordnung von Kurzarbeit wegen Corona ist möglich.

 

Was gilt, wenn Schulen oder Kitas schließen?

Schließen Schulen oder Kitas als Vorsichtsmaßnahme, haben Eltern Pech: Sie müssen für Ersatz für die Kinderbetreuung sorgen oder sich selbst kümmern, sich dafür Urlaub nehmen oder unbezahlt von der Arbeit freistellen lassen – genau wie bei einem Kita-Streik oder wenn Kitas oder Schulen wegen eines Sturms schließen.

Ist das Kind eines Mitarbeiters allerdings am Coronavirus erkrankt, hat der Arbeitnehmer ein Recht darauf, zu Hause zu bleiben und sein Kind zu pflegen. Je nachdem, was im Vertrag steht, müssen Arbeitgeber ihm dann trotzdem weiter Gehalt zahlen oder die Krankenkasse springt ein.

 

Sind Anordnungen von Dienstreisen in Gefährdungsgebiete zulässig?

Grundsätzlich darf ein Arbeitgeber im Zuge seines Weisungsrechts Dienstreisen anordnen. Dies gilt insbesondere, wenn Derartiges im konkreten Arbeitsvertrag bestimmt ist und/oder sich aus dem Gegenstand des Arbeitsverhältnisses ergibt, etwa für Vertriebsmitarbeiter. Dieses Weisungsrecht darf der Arbeitgeber jedoch nur nach billigem Ermessen ausüben und muss dabei insbesondere sowohl die Interessen des Unternehmens als auch die des Mitarbeiters berücksichtigen.

Zu beachten bei dieser Abwägung ist etwa, dass das Auswärtige Amt  derzeit von „nicht notwendigen Reisen in das übrige Staatsgebiet der Volksrepublik China mit Ausnahme der Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao“ abrät. Vor diesem Hintergrund dürfte eine Reise in die genannten Gebiete nicht mehr dem billigen Ermessen entsprechen und der Arbeitnehmer kann den Antritt der Dienstreise verweigern ohne seinen Lohnanspruch oder gar sein Arbeitsverhältnis zu riskieren.

 

Infizierung fahrlässig selbst herbeigeführt?

Bei Krankheitsfällen ist die Sachlage klar: Angestellte Arbeitnehmer erhalten sechs Wochen lang weiter ihr Gehalt, danach besteht bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld von der Krankenkasse.

Was viele nicht wissen: Entscheidend ist auch hier, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers unverschuldet sein muss, bei selbstverschuldeter Erkrankung besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung! Wer also eine Erkrankung absichtlich herbeiführt, verliert seinen Zahlungsanspruch.

Dabei gilt: Eine Erkrankung ist auch dann selbst verschuldet, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines grob fahrlässigen Verhaltens selbst herbeigeführt hat, wenn er also die Erkrankung provoziert, weil er wissentlich besondere Risiken hinnimmt.

Was bedeutet dies für den Umgang mit der Infektionsrisiko Coronavirus? Darf der Arbeitnehmer z.B. eine Kreuzfahrt in ein Gebiet buchen, in welchem vermehrt das Coronavirus auftritt? Die Rechtsprechung beurteilt die Frage des groben Verschuldens nach einem Sogfaltsmaßstab, der an den gesunden Menschenverstand appelliert. Würde sich der vernünftige Durchschnittsmensch unter dem Gebot der Rücksichtnahme gegenüber anderen – und eben auch dem Arbeitgeber – so verhalten?

Anderenfalls wäre es unbillig, dem Arbeitgeber die Lohnkosten seines Arbeitsnehmers aufzuerlegen, obwohl dieser durch sein Verhalten selbst die Schuld an seiner Arbeitsunfähigkeit trägt. Dann kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung rechtmäßig verweigern. Sicherlich kommt es dabei jeweils auf die Umstände im Einzelfall an.

Die bewusste Reise in ein Gebiet, für welches eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts gilt (siehe www.auswaertiges-amt.de), spricht unseres Erachtens stark für eine Verletzung des Sorgfaltsmaßstabs! Dies gilt eben nicht für die Teilnahme an einer Kreuzfahrt, bei welcher sich das Coronavirus erst nach Reiseantritt zeigt.

 

Und wenn der Arbeitnehmer auf eigene Faust zu Hause bleibt? 

Ein Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, sich ohne behördliche Aufforderung einfach selbst unter Quarantäne zu setzen, ein gesetzlicher Anspruch hierfür besteht nicht. Auch ein hustender Kollege stellt ohne weitere Verdachtsmomente noch keine unzumutbare Gefährdung dar, die ein eigenmächtiges Fernbleiben rechtfertigen würde.

Entscheidet sich dagegen der Arbeitgeber für die Schließung des Betriebes, behält der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch, er ist ja weiterhin arbeitsfähig und arbeitsbereit.

 

Stand: 5. März 2020

Ralph Geiger

Ralph Geiger ist Jahrgang 1975 und seit 2004 als Rechtsanwalt tätig. Er berät vorrangig in den Bereichen Gesellschaftsrecht und Restrukturierung sowie bei nationalen und grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen.

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